Studienarbeit 181

Kinematische Erfassung der Auslenkung eines mobilen Teleskopkrans.

von Thomas Ulrich und Christoph Naab

Aufgabensteller: Prof. Dr.-Ing. M. Hennes
Betreuer: Dr.-Ing. C. Depenthal , Dr.-Ing. M. Mayer, Dr.-Ing. K. Seitz
Interne Bibliotheksnummer: 181

 

Aufgabenstellung

In Zusammenarbeit mit der Firma Hirschmann Automation und Control GmbH, die im Produktbereich Baumaschinenelektronik Systeme zur Steuerung, Überwachung, Lasterfassung und Lastmomentbegrenzung für mobile Anlagen entwickelt und fertigt, wurde eine einwöchige Messkampagne an einem All-Terrain-Kran vom Typ Terex Demag AC 155 (Abbildung 1) durchgeführt. Bei solchen mobilen Teleskopkränen ist das Lastmomentbegrenzungssystem ein zentrales Steuerungs- und Informationssystem, das den zulässigen Arbeitsbereich begrenzt, überwacht und somit einen sicheren Betrieb gewährleistet. Zur Optimierung des Arbeitsbereichs ist die Auslenkung ein bedeutender Parameter, der im Rahmen dieser Studienarbeiten mit den zwei unabhängigen Messsystemen Tachymeter und GNSS bestimmt wurde (Ziel: Unsicherheit: wenige Zentimeter). Die Auslenkung – auch Radius der Umlenkrolle genannt – ist die horizontale Strecke zwischen Drehpunkt des Kranauslegers und der unteren Seilumlenkrolle am Kopf des Auslegers. Der Anstellwinkel des Kranauslegers, der mit dem kapazitiven Winkelgeber gSENS WGC der Firma Hirschmann erfasst wird, wurde ebenfalls tachymetrisch überprüft.

Abb.1: Kranausleger mit Messmimik

Messanordnung

Für die Tachymetermessung wurden sieben Prismen verwendet, drei Leica Rundprismen und vier Leica 360°-Prismen. In Abbildung 2 ist die Anordnung der Prismen am Kran schematisch dargestellt. Die Prismen 1 bis 5 wurden mit Magnethalterungen am Kranausleger befestigt. Das sechste Prisma wurde an einer speziellen Messmimik (Abbildung 3), auf der auch die GNSS-Antenne angebracht war, am Kopf des Auslegers montiert. Diese Messmimik wurde in der Werkstatt des Geodätischen Instituts der Universität Karlsruhe (TH) entwickelt und gefertigt, so dass die GNSS-Antenne um die Prismenachse kippen (gedämpfte Schwingung) und sich unabhängig vom Anstellwinkel des Kranauslegers entlang des lokalen topozentrischen Zenits ausrichten kann.

 

Abb.2: Prismenanordnung

 

Abb.3: Messmimik

 

Das Prisma mit der Bezeichnung Hr wurde als Referenz am Kranunterbau angebracht und während der Experimente immer mitgemessen. Da vom Referenzprisma das Spannmaß zum Drehpunkt ermittelt wurde, muss zur Bestimmung des Radius im optimalen Fall nur die horizontale Entfernung zwischen Prisma 6 und dem Referenzprisma Hr berechnet werden.

Zum Einsatz kamen die Tachymeter Leica TCA2003 und Leica TCRA1201. Das TCA2003 wurde zur Messung der unteren Rundprismen (1, 2) verwendet. Mit dem Leica TCRA1201 wurden jeweils die 360° -Prismen sowie das Hr Prisma gemessen.

Für die Messkampagne wurden drei verschiedene Experimentvarianten sowie repräsentative Krankonfigurationen und Gewichte gewählt, die das Einsatzspektrum bzw. den kompletten Arbeitsbereich des Krans abdecken.

  • Langzeitstatisch: Der Kran fährt sieben vorgegebene Positionen im Arbeitsbereich an, wobei alle Prismen mehrmals gemessen werden.
  • Kurzzeitstatisch: Der Kran fährt sieben vorgegebene Positionen im Arbeitsbereich an, wobei nur Prisma 6 an dem Krankopf mehrmals gemessen wird.
  • Kinematisch: Der Kran fährt kontinuierlich von einer Ausgangsstellung zu einer vorgegebenen Endstellung, während fortlaufend das oberste Prisma mit dem Tachymeter verfolgt und gemessen wird.

Bei den langzeitstatischen Experimenten sollte durch Messen der zwei unteren Rundprismen neben der Bestimmung der Durchbiegung des Auslegers auch der Winkelgeber kontrolliert werden.

Zur Stationierung des Tachymeters und zur Vergleichbarkeit der GNSS-Daten – erfasst mit einer Base/Rover-Ausrüstung (Typ: Topcon HiperPro) – mit den Tachymeterdaten wurde ein Werksnetz angelegt. Über dieses lokale Koordinatensystem wurde das Tachymeter immer neu stationiert und die Transformation der GNSS-Daten in das Tachymeternetz bewerkstelligt. Bei der Auswertung fiel zudem auf, dass der Kran nicht stabil stand, so dass diese Transformation zeit- und experimentabhängig durchgeführt werden musste, um eine bestmögliche Modellbildung Gewähr leisten zu können.

Die relative Positionierung des Prismas am Krankopf ist abhängig von der Auslegerstellung/Anstellwinkel, siehe Abbildung 4. Für diese stellungsabhängige Verbesserung wurde eine spezielle Funktion abgeleitet. In der Abbildung 4 ist durch den „ist-Pfeil“ der Radius gekennzeichnet, der sich ergeben würde, wenn nur die horizontale Entfernung zu dem gemessenen Tachymeterpunkt gerechnet werden würde. Mit dem „soll-Pfeil“ ist der eigentlich gewünschte Radius gekennzeichnet. Durch Berücksichtigung dieser und anderer Verbesserungen, wie beispielsweise der horizontalen Ausrichtung des Auslegers, konnte für jede Position ein Radius angegeben werden.

Abb.4: Stellungsabhängiger Einfluss der Positionierung des Reflektors auf den Radius

Bei der GNSS-Messung kam die RTK-Ausrüstung Hiper pro von der Firma Topcon zum Einsatz. Sie besteht aus einer Base-Antenne, einer Rover-Antenne sowie aus einem Controller. Die GNSS-Messungen wurden im RTK-Modus durchgeführt und um eine aufwändige Nachprozessierung zu umgehen, in Echtzeit mit dem Controller ausgewertet, wobei eine Messfrequenz von 2 Hz gewählt wurde. Die verwendeten GNSS Antennen können zwar 10 Hz Messungen durchführen, jedoch ist ihr interner Speicher zur Aufzeichnung der anfallenden Rohdaten eines Messtages für diese Hertzzahl nicht ausreichend. Des Weiteren konnte der Controller diese Daten nicht schnell genug auswerten. Es zeigte sich, dass im Schnitt die ausgewerteten Daten zu 73% mit 1 Hz vorlagen. Während eines Messtages war ein Ansprechen der GNSS-Rover-Antenne via Bluetooth nicht sichergestellt, da sich der Kranausleger nicht immer in Bodennähe befand. Deshalb wurde die RTK-Messung zu Beginn eines Messtages gestartet und abends wieder beendet. Dies hatte zur Folge, dass zwischen den verschiedenen Experimenten ebenfalls Daten kontinuierlich aufgezeichnet wurden. Bei der Auswertung wurde deshalb ein Filter entwickelt und realisiert, der die gewünschten Punkte für jedes Experiment erkennt und separiert.

Für den Vergleich zwischen Tachymeter und GNSS wurden die GNSS Messungen auf den Prismenpunkt an der Kranmimik reduziert, womit ein identischer Punkt für die Experimente in beiden Messsystemen vorliegt. Da nur eine Roverantenne im Einsatz war und folglich kein GNSS Bezugspunkt am Kranunterbau existierte, konnten keine GNSS Radien abgeleitet und mit den Tachymeterradien verglichen werden.

 

Ergebnis

Bei dem Vergleich GNSS gegen Tachymeter stellte sich heraus, dass GNSS für die Bestimmung der Auslenkung genau genug wäre und somit von einer Praxistauglichkeit gesprochen werden kann. Die mittlere Lageabweichung zwischen Tachymeter und GNSS beträgt -7,1 mm, die mittlere Höhenabweichung -2,7 mm. Dabei berechnet sich die Standardabweichung für die Lage zu 1,9 mm und für die Höhe zu 2,0 mm. Des Weiteren kann daraus geschlossen werden, dass der eingesetzte Filter korrekt arbeitet.

Bei der Überprüfung des Winkelgebers gSENS WGC der Firma Hirschmann bestätigten sich die Angaben der Genauigkeit des Herstellers. Jedoch zeigte sich eine Systematik, der durch weitere Untersuchungen und Aufstellung einer Kalibrierfunktion Rechnung getragen werden könnte.