DVW-GNSS 2013

 

GNSS 2013 – Schneller, Genauer, Effizienter

das 124. DVW-Seminar wurde am 14.-15. März 2013 vom DVW - Arbeitskreis 3 "Messmethoden und Systeme" am Geodätischen Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Karlsruhe am Campus Süd des KIT ausgerichtet.

Der DVW e.V. – Gesellschaft für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement wirkt mit bei der fachlichen Aus-, Fort- und Weiterbildung.

Leitung: Prof. Dr.-Ing. Volker Schwieger (Universität Stuttgart, Leiter DVW-Arbeitskreis 3) und Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Bernhard Heck (Lehrstuhlinhaber Physikalische und Satellitengeodäsie, Geodätisches Institut, KIT)

Organisation: Dr.-Ing. Michael Mayer (Mitglied Arbeitskreis 3, KIT)

Tagungsort: Karlsruhe, Karlsruher Institut für Technologie / Campus Süd, Geodätisches Institut, Architekturgebäude 20.40, Englerstr. 7


Seminarinhalte

Die Nutzung Globaler Satellitennavigationssysteme (GNSS) im Rahmen von Navigations- und Vermessungsaufgaben ist für die Geodäsie und ihre Nachbardisziplinen zum Standard geworden. GPS und GLONASS sind etablierte GNSS, GALILEO und Compass sind im Aufbau. Neben der kontinuierlichen Modernisierung der GNSS-Infrastruktur entwickeln sich auch Auswertekonzepte, Dienste und Einsatzgebiete stetig und innovativ weiter, um den Anforderungen der Nutzer entsprechen zu können.

Dieses Seminar knüpfte an frühere GNSS-Seminare an und gab einen aktuellen GNSS-Überblick. Dabei wurden grundlegende aktuelle Informationen z. B. bezüglich des chinesischen GNSS BeiDou oder ubiquitärer Positionierung vermittelt. Es wurde ein fundierter und praxisnaher Überblick über Auswertekonzepte (z. B. PPP, Online-Dienste) und RTK-Dienste (z. B. SAPOS®-Qualitätssicherung) gegeben. Gleichzeitig wurden spannende Projekte aus der Praxis, die sich mit zukunftsrelevanten Fragen wie z. B. dem Einsatz von Atomuhren für die kinematische Positionierung beschäftigen, aufgegriffen.

Darüber hinaus thematisierten die Beiträge nachfolgende Themen(bereiche): Referenzsysteme, Echtzeitvernetzung, kommerzielle GNSS-Auswerteprogramme, Referenzstationsnetze für Großprojekte, Low-Cost-GNSS, GNSS-Einsatz in der Hydrographie, Software Receiver.


Zielgruppe

Dass Seminar richtete sich insbesondere an Kolleginnen und Kollegen aus Praxis und Forschung in den Fachdisziplinen Geodäsie und Geoinformation sowie an Interessenten aus Nachbardisziplinen. Sie wurden herzlich eingeladen, sich im Rahmen dieses Seminars praxisnahe Informationen über das weiterhin hochaktuelle und spannende geodätische Teilgebiet „Globale Satellitennavigationssysteme“ zu erarbeiten.

Das Seminar war als Fortbildungsveranstaltung zur beruflichen Weiterbildung anerkannt.


Programm Donnerstag, 14.03.2013:

Session 1 – Grundlagen (Moderation: Prof. Dr.-Ing. Dr.h.c. Bernhard Heck, Karlsruher Institut für Technologie)

12:30: Grußworte

  • Prof. Dr.-Ing. Dr.h.c. Bernhard Heck, Karlsruher Institut für Technologie
  • Prof. Dr.-Ing. Hansjörg Kutterer, DVW-Vizepräsident
  • Prof. Dr.-Ing. Volker Schwieger, Universität Stuttgart

 

12:45: Maorong Ge (Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum): COMPASS satellite navigation system and its potential high precise positioning service

13:15: Matthias Becker (Technische Universität Darmstadt): Der Beitrag von GNSS zur ubiquitären Positionierung

13:45: Barbara Görres (Universität Bonn) & Michael Mayer (Karlsruher Institut für Technologie): Referenzsysteme und -rahmen für GNSS-Vermessungen (DVW-Merkblatt)

Kaffeepause

Session 2 – GNSS-Auswertekonzepte (Moderation: Prof. Dr.-Ing. Volker Schwieger, Universität Stuttgart)

15:00: Fabian Hinterberger (stellvertretend für Robert Weber; Technische Universität Wien): Precise Point Positioning (PPP) – Berechnungsmodell, Einsatzbereiche, Grenzen

15:30: Wolfgang Söhne (Bundesamt für Kartographie und Geodäsie): Grundlagen: Positionsbestimmung in Echtzeit-Vernetzungskonzepten

16:00: Anja Heßelbarth & Lambert Wanninger (Technische Universität Dresden): GNSS-Berechnungsdienste

16:30: Andreas Knöpfler & Michael Mayer (Karlsruher Institut für Technologie): Kommerzielle GNSS-Auswertesoftware im Vergleich

Abendveranstaltung (Beginn 18:00 Uhr; Essen im Tagungsbeitrag enthalten)


Programm Freitag, 15.03.2013:

Session 3 – RTK-Dienste – Qualitätssicherung und Anwendungen (Moderation: Barbara Görres, Universität Bonn)

08:30: Uwe Feldmann-Westendorff (Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen): Ergebnisse der GNSS-Kampagne 2008 als Grundlage für eine genauere und effizientere satelliten-gestützte Höhenbestimmung

09:00: Jürgen Rüffer (ALLSAT, AXIO-NET): Die Fehmarnbelt-Querung – Qualitätsanforderungen an ein präzises Positionierungssystem für die Maschinensteuerung in einem Großprojekt

09:30: Martin Freitag (Landesamt für Vermessung und Geoinformation, SAPOS®-Bayern) & Andreas Knöpfler (Karlsruher Institut für Technologie): RTKMon-Einsatz zur Überwachung und Untersuchung von RTK-Infrastrukturen

10:00: Wilfried Ellmer (Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie): RTK in Referenznetzen auf hoher See – Fokus Kommunikation

Kaffeepause

Session 4 – Aktuelles und Ausblick (Moderation: Dr.-Ing. Michael Mayer, Karlsruher Institut für Technologie)

11:00: Dirk Kowalewski (GeoIT GmbH): Kombinierter Einsatz von 6 GNSS-Systemen zur Erfassung von Bewegung und Verformung großer Schiffe

11:30: Li Zhang & Volker Schwieger (Universität Stuttgart): Monitoring mit Low-Cost GPS Empfängern – Chancen und Grenzen

12:00: Steffen Schön (Leibniz Universität Hannover): Zum Potenzial von modernen Atomuhren für die kinematische Positionierung mit GNSS

12:30: Michael Gäb (Universität Stuttgart): GNSS-Empfängertechnologie - Der Trend zum Software GNSS Empfänger

Abschluss und Evaluation



Flyer zum Seminar



Sowohl in der zfv als auch in der avn erschienen Berichte zum erfolgreichen Seminar. Diese Berichte sind gekürzte Zusammenstellungen eines ausführlichen Beitrags von Dr.-Ing. Ulrich Lenk (Friedrichshafen), der sich im weiteren Verlauf dieser Seite findet.

 

In der Schriftenreihe des DVW erschien unter der Nummer 70 ein Band, in dem die Vortragenden ihre Beiträge verschriftlichten.

 

 

     

 

 

 

Ausführlicher Seminarbericht

Am 14. und 15. März 2013 fand am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Volker Schwieger (Universität Stuttgart, DVW Arbeitskreis 3 »Messmethoden und Systeme«) und Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Bernhard Heck (KIT) das 124.-te DVW-Seminar zum Thema »GNSS 2013 – Schneller. Genauer. Effizienter.« statt. Die Organisatoren um Dr.-Ing. Michael Mayer (KIT; DVW-AK3, Arbeitsgruppenleiter GNSS) hatten ein äußerst interessantes, reichhaltiges und vielseitiges Programm zusammengestellt, das sicherlich für jeden der mehr als 75 auf der Teilnehmerliste vermerkten Interessierten etwas zu bieten hatte. Das Programm war in vier Blöcke eingeteilt, welche Grundlagen, Auswertekonzepte, RTK-Dienste und aktuelle Forschungsthemen nebst Ausblick thematisierten.

Im ersten Block zu den GNSS-Grundlagen folgte nach den Grußworten von Prof. Heck als Vertreter der Seminarleitung und Prof. Kutterer als DVW-Vizepräsident zunächst ein Überblick von Maorong Ge, Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum, zum Status des chinesischen BeiDou-Systems, das nach dem chinesischen Namen für das Sternbild des Großen Bären (Ursa Major) benannt ist und seit etwa 1985 in mehreren Phasen entwickelt wird. Nach der Demonstrationsphase wurde nunmehr Phase 2 im Dezember 2012 offiziell als operationell abgeschlossen, mit der im asiatisch-pazifischen Raum regional Positionierungsdienste bereitgestellt werden. Phase 3, die bis 2020 geplant ist, soll schließlich weltweite Dienste zur Verfügung stellen. Der Beitrag von Matthias Becker (Technische Universität Darmstadt) gab einen Überblick zu den Prinzipien der ubiquitären, also der allgegenwärtig verbreiteten nahtlosen Positionierung, die einen fließenden Übergang von Außengebieten, in denen GNSS-Signale verarbeitet werden können, zu Bereichen mit schwierigen Rahmenbedingungen für GNSS ermöglichen sollen. In diesen Bereichen müssen bedingt durch Dämpfung der Signale und Mehrwegeeffekte andere Sensoren und Ortungsansätze in verschiedenen Kopplungsvarianten als Alternative zu GNSS verwendet werden. Es wurde eine Vielzahl von Möglichkeiten (Inertialsysteme, WIFI, Druck- und Magnetsensoren etc.) beschrieben, die entsprechende Vor- und Nachteile bzgl. Kosten, Verfügbarkeit und Genauigkeit haben. Der letzte Vortrag im Grundlagen-Block ist für den regionalen Anwender mit starkem Praxisbezug vielleicht der interessanteste gewesen. Barbara Görres von der Universität Bonn gab mit Michael Mayer vom KIT als Koautor eine Einführung in die Thematik der Referenzsysteme und -rahmen für GNSS und stellte dabei das entsprechende DVW-Merkblatt »Bezugssysteme für GNSS« vor, das mit den Tagungsunterlagen auch an alle Teilnehmer des Seminars ausgegeben wurde. Hier ist die geodätische Fachgemeinde aufgefordert, sich z.B. durch Kommentare auf der entsprechenden DVW-Webseite aktiv einzubringen. Es wurde darauf eingegangen, welche Arten von Beobachtungen bzw. Auswertungen sich auf welche Bezugssysteme bzw. Referenzrahmen beziehen und was z.B. bei Multi-GNSS zu beachten ist. In der Diskussion wurde angesprochen, dass der Nullmeridian des WGS84 nicht mehr durch das Zentrum des Passage-Instruments von Greenwich verläuft. Den Hintergründen hierzu soll noch weiter vertieft nachgegangen werden, Hinweise dazu finden sich auch im Internet.

Der zweite Block gab vertiefte Einblicke in ausgewählte Themen der Auswertekonzepte. Fabian Hinterberger von der TU Wien stellte als Koautor vertretend für Robert Werner (TU Wien) und seine weitere Koautorin Katrin Huber (TU Graz) die Grundlagen zum Precise Point Positioning (PPP) mit verschiedenen Varianten und die Entwicklungen, die dazu in Wien stattgefunden haben, vor. Durch Verwendung von mehreren Frequenzen und Kombinationen von Phasen- und Codemessungen lassen sich mit PPP im Post-Processing absolute Koordinaten im Genauigkeitsbereich von wenigen Dezimetern erzielen. Mit einem Verfahren der CNES (centre national d'études spatiales, Paris) liegt die Genauigkeit sogar bei rund einem Zentimeter und damit im Bereich von RTK-Lösungen mit dem Vorteil, dass man keine RTK-Infrastruktur benötigt und damit weltweit agieren kann, auch wenn es einer etwas verlängerten Beobachtungszeit bedarf. Allerdings ist zu beachten, dass sich die Auswertungen auf den aktuellen Koordinatenrahmen der Referenzstationen beziehen. Ein aktuelles Projekt des Internationalen GNSS-Dienstes (IGS) hat zum Ziel, die langen Konvergenzzeiten des Verfahrens zu verkürzen. Seit 2010 werden entsprechende Korrekturdaten über den Ntrip-Broadcaster des BKG an die Nutzer weitergegeben. Die Vor- und Nachteile von RTK und PPP sowie die daraus abgeleiteten Anwendungsfälle wurden vorgestellt. Wolfgang Söhne vom BKG ging dann noch eingehender auf die verschiedenen Arten der GNSS-Echtzeitkorrekturverfahren mit der Unterscheidung der Verfahren bzgl. des Beobachtungs- bzw. Zustandsraums (Observation Space Representation, OSR; bzw. State Space Representation, SSR) ein. Bei OSR, das heute üblicherweise in RTK-Netzen eingesetzt wird, werden Beobachtungen übertragen; während bei SSR-Korrekturparameter für die verschiedenen Fehlerquellen übertragen werden. Ein wesentlicher Vorteil von SSR besteht in der Möglichkeit, unterschiedliche zeitliche und räumliche Auflösungen für die unterschiedlichen Parameter zu nutzen, was sich günstig auf die Bandbreite der Übertragung der Korrekturparameter auswirkt. Gegenstand von aktuellen Untersuchungen ist insbesondere die Referenzstationsdichte. Basierend auf präzisen Satellitenbahnen und -uhren können seit Mai 2011 nach etwa 15 Minuten Einlaufzeit Genauigkeiten von rund zwei Dezimeter erreicht werden. Künftige Schritte zielen auf eine verbesserte atmosphärische Modellbildung ab und sollen zum einen eine Verbesserung der Konvergenzzeit und zum anderen eine Genauigkeitssteigerung herbeiführen, die dem Netz-RTK entsprechen soll. Der IGS hat seit einigen Jahren ein Pilotprojekt für Echtzeit-PPP ins Leben gerufen, bei dem Genauigkeiten von rund 20 cm nach etwa 20 Minuten Konvergenzzeit erreicht werden können, ebenso hat die Firma Trimble einen ähnlichen Dienst am Markt. Anschließend stellte Anja Heßelbarth von der TU Dresden mit Lambert Wanninger als Koautor sieben verschiedene sowohl freie als auch kostenpflichtige GNSS-Berechnungsdienste vor. Auf der Grundlage eines quasi-statischen und eines dynamischen Anwendungsfalls wurden die erzielten Ergebnisse vorgestellt und diskutiert. Mit dem kostenpflichtigen Dienst BaLiBo, der regionale Referenzdaten nutzt, ist man bei einer Beobachtungsdauer von deutlich weniger als einer Stunde in der Lage, ein zuverlässiges Ergebnis zu erzielen. Aber auch bei anderen Diensten erreicht man bei einer Beobachtungsdauer von mehr als 2 Stunden und statischen Daten Genauigkeiten in Lage und Höhe von besser als 4 cm. Der letzte Vortrag im zweiten Block wurde von Andreas Knöpfler mit seinem Koautor Michael Mayer vom KIT zum Thema »Kommerzielle GNSS-Auswertesoftware im Vergleich« gehalten. Das Ziel der Untersuchungen war es, die Koordinatenvariationen zwischen drei aktuellen kommerziellen GNSS-Softwares (Trimble, Leica, Topcon) für kleinräumige Gebiete (bis einige km) unter Verwendung von statischen GPS- und GLONASS-Messungen unter Einbezug einer virtuellen SAPOS®-Referenzstation zu bestimmen. Zum Einsatz kam hierbei aktuellste RTK-Rover-Hardware. Es wurden automatische, von der Auswertesoftware vorgegebene Lösungsansätze und der „Expertenmodus“ miteinander verglichen. Als Ergebnis zeigt sich bei der Expertenauswertung, dass die Lagevariationen zwischen den verschiedenen Herstellern nur wenige Millimeter betragen. Je länger die Beobachtungszeit, desto besser konvergieren die Ergebnisse. Bei kürzeren Beobachtungszeiten ist eine leichte herstellerspezifische Gruppierung der Ergebnisse zu beobachten. Auch zeigt sich bei längeren Basislinien eine bessere Übereinstimmung als bei kurzen Basislinien, was die Autoren auf das Messumfeld (Mehrwegeeffekte) zurückführen. Im automatischen Modus sind die Ergebnisse deutlich mehr herstellerspezifisch ausgeprägt und sie variieren auch stärker. Weitere Untersuchungen mit anderen Ansätzen und Softwarepaketen sind geplant, sobald einheitliche Antennenparameter für alle Auswerteprogramme zur Verfügung stehen.

In der drittten Session wurden unter dem Titel »RTK-Dienste – Qualitätssicherung und Anwendungen« vier Präsentationen vorgetragen. Im ersten Vortrag stellte Uwe Feldmann-Westendorff von der LGLN in Ergänzung zu seinem Vortrag beim DVW-GNSS-Seminar 2009 (Dresden) den aktuellen Stand der bisherigen Ergebnisse der GNSS-Kampagne 2008 als Grundlage für eine genauere und effizientere satellitengestützte Höhenbestimmung vor. Die Messphase zur Erneuerung des DHHN wurde 2012 offiziell abgeschlossen. Es ist geplant, dass die Rechenstellen 2013 ihre Ergebnisse für Präzisionsnivellement und GNSS vorstellen und bis Ende 2015 die Dokumentation der Ergebnisse abgeschlossen sein wird. Es deutet sich bereits an, dass die angestrebten Genauigkeitsziele erreicht werden, die für die GNSS-Kampagne von 2008 für ellipsoidische Höhen als besser 5 mm angesetzt waren. Damit wird der Anforderung der Nutzer von Positionierungsdiensten wie SAPOS® nach einer leistungsfähigen Infrastruktur zur genauen und vor allem effizienten und kostengünstigen Bestimmung von Gebrauchshöhen erfolgreich Rechnung getragen. Der zweite Vortrag dieses Blocks von Jürgen Rüffer (ALLSAT GmbH, Hannover) behandelte Qualitätsanforderungen an ein präzises Positionierungssystem für die Maschinensteuerung in einem Großprojekt, der Fehmarnbelt-Querung. Interessanterweise wurde hier die Firma mit Qualitätsanforderungen konfrontiert, die bislang im Bereich des Vermessungswesens weitgehend nicht berücksichtigt werden. Während es zum geodätischen Grundwerkzeug gehört, die Ergebnisse von Messungen und Berechnungen mit entsprechenden statistischen Genauigkeitsaussagen zu verknüpfen, ist es neu und bislang kaum für GNSS standardisiert, wie die Verfügbarkeit von Services im Sinne von Quality of Services für z.B. 99% Verfügbarkeit am Tag mit einer Lagereproduzierbarkeit von besser als 1 cm (Höhe: < 2 cm) für ein definiertes Projektgebiet garantiert werden kann. In der Diskussion wurde u.a. angesprochen, dass hier GNSS als Single-Point-of-Failure ein vertraglich ausgeschlossenes Risiko darstellen (Jamming etc.). Neben diesen Anforderungen und der Einrichtung und dem Betrieb des Systems muss auch ein Helpdesk mit bestimmten Erreichbarkeits- und Vor-Ort-Zeiten bereitgestellt werden. Im Anschluss an diesen Vortrag stellte Martin Freitag vom LVG Bayern mit seinen Koautoren Andreas Knöpfler und Michael Mayer (beide KIT) den RTKMon-Einsatz zur Überwachung und Untersuchung von RTK-Infrastrukturen und im Hochschulbetrieb vor. Dabei werden die Verfügbarkeit und die Qualität des SAPOS®-Dienstes unabhängig überwacht und die Ergebnisse sind zwecks Transparenz für jeden Nutzer im Internet einsehbar. Praxisrelevant sind die Monitorstationen für den bayerischen SAPOS®-Dienst in einer maximalen Entfernung zu den SAPOS®-Stationen realisiert. Eine Analyse der 2012-Daten zeigt, dass die Umsetzung der Genauigkeitsspezifikation des HEPS-Dienstes gewährleistet ist. Dies gilt bei extremen Unwetterlagen (troposphärische Störungen) bzw. bei ionosphärischen Störungen nur eingeschränkt. Im Hochschulbereich wird RTKMon u.a. genutzt, um die Auswirkung von nicht-optimalen Messkonstellationen (Abschattungen, Mehrwegeeffekte) zu veranschaulichen, und es wurde auch eine Stromübergangsmessung mittels GNSS-Net-RTK begleitet. Den letzten Beitrag im dritten Block stellte der Vortrag von Wilfried Ellmer vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) zu RTK in Referenznetzen auf hoher See mit dem Fokus auf die Kommunikation dar. Seit 2009 wurden im küstennahen Bereich alle Vermessungen mit Hilfe von präzisen differentiellen GNSS-Messungen auf Normalhöhennull (NHN) bzw. Seekartennull referenziert. Mit Januar 2013 werden nun alle Messungen auf NHN bezogen. Eine Herausforderung bei der Reduktion der Daten ist die Übertragung der GNSS-Korrekturdaten an die Vermessungsschiffe bzw. deren Tochterboote. Hier kommen Mobilfunkverbindungen bzw. UKW- (2-m-Band) und auch 70-cm-Band-Verbindungen zum Einsatz. Da bei den Tochterbooten aufgrund der niedrigeren Masten schlechtere Empfangsbedingungen vorherrschen, kommen auch Szenarien zur Anwendung, bei denen das Vermessungsschiff als Relaisstation für die Tochterboote fungiert. Die Grenzen der Beschickung sind durch die Reichweite der Korrekturdatenübertragung und die Mehrdeutigkeitslösung gegeben. Postprocessing kommt aufgrund der verfügbaren Ressourcen praktisch nicht zum Einsatz. Um die Korrekturdaten auch in weiter von der Küste entfernte Gebiete übertragen zu können, wurden vom BSH inzwischen mit Erfolg Tests mit Satellitendatenübertragung vorgenommen. Ein nächster Test soll im harten Einsatzgebiet der Nordsee durchgeführt werden. Zwecks Verbesserung der Lösung der Mehrdeutigkeiten wird gegenwärtig mit der Zentralen Stelle SAPOS® die Option einer praktikablen Echtzeit-PPP-Lösung untersucht.

In der vierten Session wurden dann Einblicke in aktuelle Forschungsthemen gegeben. Dirk Kowalewski von der GeoIT GmbH stellte den kombinierten Einsatz von sechs GNSS-Systemen zur Erfassung der Bewegung und Verformung großer Schiffe vor. Auf dem Liniencontainerschiff „Kobe Express“ wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes das System installiert und getestet. Es wurden jeweils am Heck und am Bug drei GNSS-Ausrüstungen (1 Master & 2 Slaves) installiert. Durch die Differenzen der Koordinaten werden die Bewegungen und Verformungen berechnet und dokumentiert. Auch wenn eine abschließende Auswertung noch nicht abgeschlossen ist, so zeigt sich bereits jetzt, dass die Messung von allen sechs Freiheitsgraden mit den GNSS-Systemen zuverlässig und genau funktioniert, was mit einem Inertialsystem validiert wurde. Tests mit SAPOS®-Referenzstationen sind geplant, wenngleich derartige Signale auf hoher See nicht kontinuierlich zur Verfügung stehen. Li Zhang stellte mit Volker Schwieger als Koautor (beide Universität Stuttgart) die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zum Monitoring mit Low-Cost-GPS-Empfängern vor. Voruntersuchungen haben ergeben, dass preisgünstige Massenmarkt-Ein-Frequenz-Empfänger (U-blox) unter Nutzung von Phasendaten vergleichbare Ergebnisse wie geodätische GNSS-Empfänger erreichen können. Es wurden drei verschiedene Low-Cost-Antennen mit dem Empfänger in Kombination mit Grundplatten bzw. einem L1-optimierten Choke-Ring zur Verringerung von Mehrwegeeffekten getestet. Auf einem Testfeld konnte nachgewiesen werden, dass die Low-Cost-Empfänger eine gute Wiederholgenauigkeit in der Lage erreichen (u.a. zehntel mm bis einige mm). Es ist für ein Nahe-Echtzeit-System und für stabile Lösungen notwendig, mindestens 20 min zu beobachten. Die Wiederholgenauigkeit der Höhe bedarf insbesondere bei abgeschatteten Stationen jedoch noch der Verbesserung (11 mm). Erst wenn beides gewährleistet ist, kann das System bei Überwachungen von Rutschhängen oder Brücken eingesetzt werden. Für den praktischen Einsatz bedarf es noch der Übermittlung der Daten an den Nutzer über das Internet zur Fernüberwachung des Zustands des Systems und der Ergebnisse. Es stehen zudem weitere Untersuchungen mit verschiedenen Antennen an. Steffen Schön von der Leibniz Universität Hannover referierte im Anschluss zum Potenzial von modernen Atomuhren für die kinematische Positionierung mit GNSS. Bislang wird der Empfängeruhrenfehler typischerweise in jeder Epoche geschätzt, weshalb zur Bestimmung einer 3D-Position Signale von vier Satelliten benötigt werden. Diese epochenweise Schätzung hat den Nebeneffekt, dass Empfängeruhrenfehler, Höhenkomponente und mögliche Schätzwerte für troposphärische Laufzeitverzögerungen sehr stark miteinander korreliert sind. Allerdings kann man Empfängeruhrenfehler auch modellieren und das Modell für eine gewisse Zeit extrapolieren. Einem Überblick über die Theorie und den Hintergrund der Uhrenmodellierung und typischerweise eingesetzte Uhren schloss sichein Einblick in eine Untersuchung an, bei der ein quadratisches Polynom als Uhrenmodell angesetzt wurde und die im Rahmen einer Dissertation in Hannover Teil des Exzellenzclusters Quantum Engineering and Space-Time Research (QUEST) war. Der RMS der Höhenkomponente der kinematischen Positionierung kann so um ca. 56% verringert werden. Bei einer Anwendung zur kinematischen Positionierung im Rahmen der GRACE-Mission konnte die radiale Positionskomponente um 24% verbessert werden. In der statischen Positionierung ergeben sich jedoch keine Vorteile, es sei denn, man möchte Parameter mit einer höheren oder gleichen Auflösung wie dem Empfängeruhrenfehler bestimmen. Zum guten Abschluss des vierten Blocks und des Seminars diskutierte Michael Gäb (Universität Stuttgart) den Trend zum Software-GNSS-Empfänger in der GNSS-Empfängertechnologie. Es wurde ein Testsystem vorgestellt, das derzeit in der Entwicklung ist. Um die 1-GHz-Frequenz der Trägerfrequenz eines GNSS abzutasten, muss man mit der doppelten Abtastfrequenz sampeln, was zu einer sehr hohen Datenmenge sowie zu sehr langen Rechenzeiten in der Positionsberechnung führt. Daher werden diese Daten heruntergemischt, wobei Phasenlage und die Dopplerverschiebungen des Signals sowie die Codefrequenzen erhalten bleiben müssen. Die Vorteile einer Softwarelösung sind, dass man hier insbesondere im wissenschaftlichen Bereich bessere Eingreifmöglichkeiten in die Verarbeitung der Signale hat. Auch können leichter neue GNSS in die Software integriert und als Update verteilt werden, während bei Hardwarelösungen gleich komplette Teile ausgetauscht werden müssten. Allerdings ergeben sich per se direkt keine verbesserten Messergebnisse gegenüber einem Hardware-GNSS-Empfänger; der Trend zum Software-Empfänger ist jedoch inzwischen sowohl in der Wissenschaft als auch in der Wirtschaft zu beobachten.

Das Seminar zeichnete sich neben seinem sehr gelungenen Programm und hervorragenden Beiträgen außerdem durch eine rege Diskussionsfreudigkeit im Auditorium aus. Auch beim gut besuchten gemeinsamen Abend im bekannten Hoepfner Burghof wurden die Diskussionen vertieft. Die Tagungsbeiträge sind in der Schriftenreihe des DVW im Wißner-Verlag als Band 70 erschienen, der jedem Interessierten als aktuelle Ergänzung zu den GNSS-Lehrbüchern wärmstens empfohlen werden kann. Vor dem Hintergrund des raschen technischen und infrastrukturellen Fortschritts der gegenwärtigen und zukünftigen GNSS sollte das nächste Seminar zu diesem Thema nicht erst wieder in drei Jahren stattfinden, um den aktuellen Entwicklungen vor allem im Startprogramm von Galileo Rechnung zu tragen. Der Autor jedenfalls würde dies sehr begrüßen und sich bereits jetzt vorbehaltlich keiner anderweitigen dringenden Verpflichtung zum Folgeseminar anmelden.

Ulrich Lenk, Friedrichshafen